
Dora hat mitten in Corona ein Haus auf’m Dorf in Brandenburg gekauft. Weil ihre Beziehung am Ende ist. Und sie als Senior Copywriter / Texterin offenbar spürt, ihre Seele zu verkaufen – auch wenn sie für eine Agentur arbeitet, die total woke und korrekt Firmen mit Nachhaltigkeits- und Weltrettungskonzept berät. Und sich wenn es darauf ankommt, trotzdem verhält wie alle.
Also Flucht in eine Brandenburger Halb-Ruine mit viel zu großem Garten. Die Bewohnerin ohne blassen Schimmer von Gartenpflege oder Anbau und Handwerk. Nebenan wohnt der selbsternannte Dorfnazi. Er wirkt wie der „einzige Schwule des Dorfs“ aus der Little Britain TV Satire: Ihm gefällt die Rolle des Außenseiters. Statt Hure mit goldenem Herz, ist Gote der Nazi mit dem Herz am rechten Fleck. Das ist ein Klischee. Aber mit Ungereimtheiten. Zeh bricht im Roman so einige Brandenburg Klischees auf und füllt sie mit menschlichen Widersprüchen und Liebenswürdigkeiten und zeigt beschädigte Typen, die irgendwie „echt“ sind.






Dieses Knausgard Buch ist beglückend und erhellend. Knausgard hat eine über viertausend Seiten umfassende, sechsbändige Serie in nur drei Jahren geschrieben (der letzte Band schon 2011 in Norwegen erschienen). All das, um sein Leben zu erzählen. Aber es ist keine Autobiografie. Die Bücher sind nicht chronologisch. Und Knausgard war bis zum Erscheinen der ersten drei Bücher nur Experten skandinavischer Literatur ein Begriff, eine Biografie zu schreiben wäre also einigermassen vermessen erschienen. Und weil Knausgard, wie wir lernen in seinen Büchern, durch mangelndes Selbstbewusstsein und ewige Selbstzweifel gequält wurde, wäre er wohl als letzter auf die Idee gekommen, sein Leben zu erzählen. Er meinte nämlich: Was hab ich schon zu erzählen.

