Ulrike Sterblich: The German Girl

Ulrike Sterblich: The German Girl

Mona ist eine junge Frau aus Berlin, die Ende der 60er Jahre in New York als Model arbeitet – besser arbeiten will. Denn genau wie Carrie Bradshaw aus „Sex in the City“ scheint sie nie wirklich zu arbeiten, sondern geht auf Partys, lernt Männer kennen, trifft schräge Typen und Typinnen und ist dabei auf der Suche nach sich und er wahren Liebe.
Als Unterstützung bei der Suche und dem stressigen NY Leben holt sie sich Spritzen bei „Dr. Max“ – einem der berühmten Feelgood Doktoren, die ihren „Patienten“ Speed spritzen und das ganze Vitamine nannten. Am Ende wird Mona heiraten und der Dr. wird vor Gericht gestellt. Ende.

Außer Monas Sinn- & Partysuche nebst kurzer Reise in die Frontstadt Berlin, wo gerade Dutschke angeschossen wurde, gibt es auf zwei, drei Kapitel verteilt die Recherche eines Forensikers, der den Tod eines Speed-Junkie aufklären will und dabei den Feelgood Doktor Max ins Visier nimmt, den auch Mona besucht. Und am Ende wird auch auch seltsam unvermittelt noch die Recherche eines Journalisten in die Geschichte gepresst, der die Speed-Doktoren-Ära aufarbeitet – während die Hauptfigur einfach aus der Geschichte fliegt, bzw. in ihr versinkt.

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J.D. Salinger: Franny und Zooey (übersetzt von Heinrich und Annemarie Böll)

J.D. Salinger: Franny und Zooey (übersetzt von Heinrich und Annemarie Böll)

rororo 124 Seiten

Die rororo Ausgabe von „Fänger im Roggen“ inklusive meiner hohlen Kommentaren von 1984 („das langweiligste Buch der Welt, Was soll das? Hold on Holden! usw.“) steht noch bei mir im Regal. Jahre später mit großer Freude gelesen natürlich. Als mir nach Salinger war die Tage, griff ich aber zum weniger bekannten, aber vielleicht sogar schöneren Buch.

Beim Blick auf „Fänger im Roggen“: Warum lässt man eigentlich in der Schule so gern junge Menschen Bücher über junge Menschen lesen, die Probleme mit sich und ihrer Rolle haben? Glauben die Lehrerinnen, DAS könnte die denkfaul und hormongefüllten Mädels und Jungs interessieren? Ist das der Versuch, pubertierende Buchhasser (damals Fernseh- und Comicfliebhaber, heute youtube-Lover) das Lesen oder überhaupt Literatur näherzubringen? Mein S0hn muss sich „Tschick“ antun (ein tolles Buch, aber mit 13?) wie ich damals den Fänger.

Dieser einzige andere, ja was, Roman, diese beiden zusammenhängenden Kurzgeschichten von Salinger über die Geschwister Franny und Zooey spielt Mitte der 50er Jahre (schöner Trailer der die Stimmung der Geschichte ohne Worte spiegelt). Es geht wie immer um Verwirrtheit und Sinnsuche ehemaliger Wunderkinder einer New Yorker Großfamilie.

Überhaupt hat Salinger immer über junge Männer und Frauen geschrieben, immer gibt es eine kleine Schwester, die wegweisende Dinge sagt oder tut, für die älteren, intellektuellen klug daherredenden und auf erwachsen machenden Brüder. Irgendwer schrieb mal, im Grunde sei Salinger immer ein Jugendbuchautor geblieben. Und das war nicht nett gemeint.

Dabei zeugt die Haltung bloß von der Arroganz älterer Literaturpäpste, was „richtige“ Literatur ist und ist genau der Grund, warum junge Leute keine Lust haben sowas zu lesen: Weil ihnen wieder ein Großer sagt, was sie gut finden sollen. Da haben Heinrich Böll und seine Frau Annemarie anders gedacht und geben FRANNY UND ZOOEY einen wunderbaren Flow, der im Orginal nicht besser sein kann.

Die Sorgen und Ängste von Franny und Zooey sind die gleichen wie die der Kids heute. Ihre Art damit umzugehen auch: Reden (damals „in echt“ oder am Telefon, heute Whatsapp), Rückzug in fiktive Welten (damals Bücher und Filme, heute: Spiele, Internet und Filme) und die Affinität zu einem Denk-System, einer Ideologie oder Gemeinschaft, die einem sagen, wie man sein Leben leben soll (weil die Eltern es nicht mehr tun oder tun sollen).

Wer sich unwohl und unsicher mit sich fühlt, sucht. Wer total zufrieden mit sich ist, geht mit dem Mainstream. Von diesen Figuren gibt es auch immer welche in Salingers Büchern. Und obwohl auch die meist nette, normal redende, gebildete Ostküsten Kids sind allesamt, scheint er ihre Konventionalität, gebildete Borniertheit (immer weitergetragen an den Eliteunis des Landes) und zweifelsfreie Egozentrik zu hassen.

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Rachel Kushner: Flammenwerfer

Rachel Kushner: Flammenwerfer

Rowohlt, 556 Seiten

Wie kann ich ein Buch grandios zu Beginn finden und dann irgendwann nur noch lang, ja mindestens 200-300 Seiten zu lang? Und das, wo es von sehr unterschiedlichen Rezensenten und Autorenkollegen wie Jonathan Franzen oder Colum McCann gefeiert wurde, 2013 Finalist für den National Book Award in den USA war und von der NY Times zu einem der besten 10 Romane des Jahres erklärt wurde?

Der Einstieg, ja die ersten 200 Seiten dieses, ja, was?, Künstlerromans, dieses Doppel-Zeit-Portrait, dieser Collage aus zeitlich und örtlich verstreuten Ereignissen mit einer Hauptfigur, die aber nicht immer da ist, der ist ganz toll: Eine junge Frau, Reno, jagt auf einem italienischen Motorrad durch den Westen der USA, auf dem Weg nach Bonneville zum Salzseerennen. Dann ein Rückblick nach Alexandria zu Beginn des 20 Jahrhunderts – ohne dass man eine Idee hat, wo der Zusammenhang ist. Es aber wissen will. Sehr fließend, sehr dicht und klar geschrieben, treibend, wie der Motor der besagten Maschine. Weitere Zeitsprünge vor und zurück, ihre Ankunft in New York, die ersten Kontakte mit der Künstlerszene, ein paar Parties, und wieder nach vorn: das Salzsee Rennen und ein Unfall. Und dann…

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