Lisa Halliday: Asymmetrie

Lisa Halliday: Asymmetrie

Roman Hanser, 315 Seiten, 2018

Empfehlung – man glaubt es kaum, aus dem Internet. Von einem Vielleser. Und ja, sehr eigenwilliges Buch. Als ich es dann bekam, hatte ich vergessen, worum es ging und begann zu lesen. Weltbekannter Schriftsteller, Ezra Blazer, und junge Verlagsangestellte Alice begegnen sich, er will sie, sie willigt ein, es wird eine geheime Affäre. Es geht in den Gesprächen und Gemeinsamkeiten um Ticks und Krankheiten, um spezielle Marmeladen oder Smoothies, natürlich um Bücher (aber eher selten), um bestimmte Hemden und Socken, Sex und Alkohol, Krankheiten, nötige Operationen und Baseball.

Das Leben der beiden findet in Blazers Apartment mit Blick auf den Central Park und die ganze Stadt oder einem großzügigen Haus auf dem Land statt, wohin er sich zum Schreiben im Sommer zurückzieht. Wenn er weg ist, scheint Alice verloren. Wenn er da ist, irgendwann unsicher, wohin das führt, und was sie davon hat. Er mag sie, sie mag ihn, zwei kluge Menschen sehr unterschiedlicher Generationen, Erfahrungen und an den beiden Enden der (beruflichen) Parabel.
Das ist witzig, klug, hellsichtig geschrieben, der Blick auf den Überfluss, der sich im Kleinklein bestimmter Qualitäten von Produkten zeigt, die Lust auf Texte und den großen Unterschied zwischen Leben und Text – vor allem den eigenen und das eigene. Beide sind sich des Klischees bewusst, dass sie da leben. Beide wissen, es hat keine Zukunft, aber na und? Was hat schon Zukunft, außer das Leben selbst?

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J.D. Salinger: Franny und Zooey (übersetzt von Heinrich und Annemarie Böll)

J.D. Salinger: Franny und Zooey (übersetzt von Heinrich und Annemarie Böll)

rororo 124 Seiten

Die rororo Ausgabe von „Fänger im Roggen“ inklusive meiner hohlen Kommentaren von 1984 („das langweiligste Buch der Welt, Was soll das? Hold on Holden! usw.“) steht noch bei mir im Regal. Jahre später mit großer Freude gelesen natürlich. Als mir nach Salinger war die Tage, griff ich aber zum weniger bekannten, aber vielleicht sogar schöneren Buch.

Beim Blick auf „Fänger im Roggen“: Warum lässt man eigentlich in der Schule so gern junge Menschen Bücher über junge Menschen lesen, die Probleme mit sich und ihrer Rolle haben? Glauben die Lehrerinnen, DAS könnte die denkfaul und hormongefüllten Mädels und Jungs interessieren? Ist das der Versuch, pubertierende Buchhasser (damals Fernseh- und Comicfliebhaber, heute youtube-Lover) das Lesen oder überhaupt Literatur näherzubringen? Mein S0hn muss sich „Tschick“ antun (ein tolles Buch, aber mit 13?) wie ich damals den Fänger.

Dieser einzige andere, ja was, Roman, diese beiden zusammenhängenden Kurzgeschichten von Salinger über die Geschwister Franny und Zooey spielt Mitte der 50er Jahre (schöner Trailer der die Stimmung der Geschichte ohne Worte spiegelt). Es geht wie immer um Verwirrtheit und Sinnsuche ehemaliger Wunderkinder einer New Yorker Großfamilie.

Überhaupt hat Salinger immer über junge Männer und Frauen geschrieben, immer gibt es eine kleine Schwester, die wegweisende Dinge sagt oder tut, für die älteren, intellektuellen klug daherredenden und auf erwachsen machenden Brüder. Irgendwer schrieb mal, im Grunde sei Salinger immer ein Jugendbuchautor geblieben. Und das war nicht nett gemeint.

Dabei zeugt die Haltung bloß von der Arroganz älterer Literaturpäpste, was „richtige“ Literatur ist und ist genau der Grund, warum junge Leute keine Lust haben sowas zu lesen: Weil ihnen wieder ein Großer sagt, was sie gut finden sollen. Da haben Heinrich Böll und seine Frau Annemarie anders gedacht und geben FRANNY UND ZOOEY einen wunderbaren Flow, der im Orginal nicht besser sein kann.

Die Sorgen und Ängste von Franny und Zooey sind die gleichen wie die der Kids heute. Ihre Art damit umzugehen auch: Reden (damals „in echt“ oder am Telefon, heute Whatsapp), Rückzug in fiktive Welten (damals Bücher und Filme, heute: Spiele, Internet und Filme) und die Affinität zu einem Denk-System, einer Ideologie oder Gemeinschaft, die einem sagen, wie man sein Leben leben soll (weil die Eltern es nicht mehr tun oder tun sollen).

Wer sich unwohl und unsicher mit sich fühlt, sucht. Wer total zufrieden mit sich ist, geht mit dem Mainstream. Von diesen Figuren gibt es auch immer welche in Salingers Büchern. Und obwohl auch die meist nette, normal redende, gebildete Ostküsten Kids sind allesamt, scheint er ihre Konventionalität, gebildete Borniertheit (immer weitergetragen an den Eliteunis des Landes) und zweifelsfreie Egozentrik zu hassen.

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