Alexander Osang: Fast Hell

Alexander Osang: Fast Hell

Ich hatte den Titel Englisch verstanden, weil Osang ja auch lang in USA Korrespondent des Spiegel war: FAST HELL, Schnelle Hölle, das wär doch ein toller Titel. Auf Deutsch ist er dagegen so lyrisch-zärtelnd… 

Ist zwei Jahre her, dass ich es gelesen habe und mir ist erstaunlich wenig in Erinnerung – bis auf ein schönes Leseerlebnis. Das Buch ist wie eine angenehme Bahnfahrt mit vielen Gedanken, Einsichten und Reflexionen, ohne dass einem nach drei Stunden die Landschaft vor den Fenstern besonders im Gedächtnis geblieben wäre.

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2 x Candice Fox: DARK & HADES

2 x Candice Fox: DARK & HADES

Es gibt witzige Krimis, Mörder-Biopics und Crime-Dokus, es gibt Agatha Christie Style Krimis, Weltraumkrimis oder wie Der Name der Rose Mittelalterkrimis. Es gibt Skandinavien Krimis (und meist schreckliche deutsche Regionalkrimis), Anwaltskrimis, Inselkrimis, es gibt US Serienmörder Krimis, es gibt Horror&Geister- oder Theaterkrimis oder kulinarische Krimis, Dorf-, Land- und Großstadtkrimis und unzählige weitere Cross-Over Formate. Es gibt Krimis mit einsamen, depressiven, versoffenen, hyperintelligenten, schizophrenen oder kriminellen Ermittlern, mit mordenden, lüsternen, verlassenen Kommissarinnen oder Surfer-Detektive oder Ex-Irgendwas Privatermittler, es gibt Omas oder Kinder, die Fälle klären. Und es gibt die Bücher von Candice Fox.

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Douglas Stuart: Shuggie Bain

Douglas Stuart: Shuggie Bain

Allerallerwärmste Empfehlung vom Buchhändler bei Uslar und Rai in Berlin — und nicht enttäuscht worden. Eine witzige, wilde, schöne, bittere, hoffnungsvolle und tieftraurige Geschichte. Eine Art Oliver Twist wie bei Dickens oder Die Elenden von Hugo – nur ganz nah in den 80er Jahren in Schottland. Diese 80er wirken so weit weg wie das 19. Jahrhundert bei Hugo und Dickens: Arbeiterstolz, Klassenbewusstsein? Hier nicht. Kein Ken Loach Durchhaltewillen. Die Arbeit ist hart und schlecht bezahlt, das Fernsehen muss man mit Münzen füttern, um Programm zu haben, mit Rabattmarken und billigem Bier versuchen die Leute durchzukommen, die alltägliche Gewalt und der große Stumpfsinn ersticken Gemeinschaft oder gar Revolutionsideen. Und mittendrin Kinder, deren Zukunft vorprogrammiert scheint, wenn sie es denn überleben und weg aus Glasgow schaffen. Wie Shuggie.

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Hervé Le Tellier: Die Anomalie

Hervé Le Tellier: Die Anomalie

Ein bisschen Epochenkritik, ein bisschen Ensemblebuch ohne Hauptfigur, ein bisschen postmoderner Wahrheitsrelativismus gemixt mit klassischer Doppelgängerfantasie und SciFi, Matrix- und Brief-Roman. Und Schriftstellerroman und Dokudrama. Wäre vermutlich einfacher zu sagen, was das Buch nicht ist: Krimi z.B., wobei…, ist es auch. Oder Familiengeschichte? Wobei…, ist es auch. Oder tragische Liebesgeschichte? Ist es auch. Vielleicht ist genau das am Ende das Problem dieses dennoch recht schmalen Buchs. Dass es all das ist und auch sein will.

Der Doppelgänger ist ein eigenes Genre in Film und Literatur. Er verwischt seit Jahrhunderten die Grenze zwischen dem Ich und den Anderen, unterhöhlt die Autonomie des Subjekts, ist Mythos, in dem sowohl das Leiden an der Entfremdung und der Wunsch nach dem Ausbruch zusammenfinden. „Ich bin ein anderer sein, ich komme nur nicht dazu“, sagt man im Scherz. Die Passagiere des Flugs aus Paris, sie kommen jetzt dazu.

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Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch – Amerika

Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch – Amerika

Lange her, dass ich mehrmals laut lachen musste beim Lesen. Meyerhoffs Memoire hat genau wie seine anderen Bücher alles, was es braucht: Die beeindruckende Fähigkeit, Menschen in kleinen Szenen zu beschreiben, einen Helden (sich selbst), der zugleich sympathisch wie unzulänglich und sehr aufmerksam ist. Dabei erzählt er witzig und klug, während immer ein leicht melancholischer Ton mitschwingt.

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Louise Erdrich: Der Nachtwächter

Louise Erdrich: Der Nachtwächter

Es geht – auf der Handlungsebene dieses tollen Romans – ums Überleben einer First Nation in den USA. Und um das, was ein Einzelner gegen ein scheinbar übermächtiges System ausrichten kann. Auf einer ganz anderen Ebene handelt der Roman von der tiefen Verbundenheit zum eigenen Land, zu dem Boden, auf dem man steht und stirbt, Generation um Generation. Die Grenzen von Zeit und Raum, Damals&Jetzt, hier&woanders lösen sich auf und ermöglichen Hellseherei, Flüche. Geistwesen sprechen und Tiere weisen die Richtung – aber auch die Toten sind da, die Gescheiterten und Verlorenen, Alkoholismus und Entfremdung.

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Ralf Rothmann: Die Nacht unterm Schnee

Ralf Rothmann: Die Nacht unterm Schnee

Noch ein Rothmann Buch über den Zweiten Weltkrieg? Dachte ich, als ich den Roman in der Buchhandlung sah – und hab es natürlich trotzdem mitgenommen. Für einen Rothmann Fan der Ruhrgebietsbücher und der Berlin Bücher über die Erzählungen bis zu den Kriegsbüchern selbstverständlich! Ich mag seinen unprätentiösen, dabei immer wieder zarten oder lyrischen, dann harten und gewollt löchrigen Erzählstil einfach sehr. Er schafft keine Figuren, sondern Menschen mit Brüchen und Widersprüchen und all diesen unterdrückten Wünschen und gefangen in Zwängen und Verlusten, er schafft Schicksale. Auch in diesem Buch wieder.

Der dritte Roman über die letzten Kriegstage in Deutschland und die unmittelbare Zeit danach (Im Frühling sterben, 2015, Der Gott jenes Sommers, 2018). Rothmann folgt offenbar der Logik des Blues, oder des Rock. Da ist es auch die immer neue und scheinbar unerschöpfliche Variation des immer gleichen. Die Figuren wieder mit ähnlichen Erlebnissen an den gleichen Orten wie in den beiden Vorgängern. Nur mit etwas anderen Schicksalen oder Entscheidungen, die aber doch wieder in ähnliche Leben münden.

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Karl Ove Knausgard: Der Morgenstern

Karl Ove Knausgard: Der Morgenstern

Was soll man in 600 Worten zu einem Roman von fast 900 Seiten sagen? Dass er mich in seiner „grandios verlaberten“ Sprache, mit seinen Gedankenschleifen und den en détail beschriebenen Alltagshandlungen, dem Aufräumen und den Autofahrten, dem und Tür-auf-Tür-zu und den endlosen klugen, albernen, erschütternden, beruhigenden, schauderhaften und wunderbaren Gedanken dazwischen, dass er mich von der ersten bis zur letzten Seite getragen hat! Die Welt geht unter, aber das Leben geht weiter.

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Juli Zeh: Über Menschen

Dora hat mitten in Corona ein Haus auf’m Dorf in Brandenburg gekauft. Weil ihre Beziehung am Ende ist. Und sie als Senior Copywriter / Texterin offenbar spürt, ihre Seele zu verkaufen – auch wenn sie für eine Agentur arbeitet, die total woke und korrekt Firmen mit Nachhaltigkeits- und Weltrettungskonzept berät. Und sich wenn es darauf ankommt, trotzdem verhält wie alle.

Also Flucht in eine Brandenburger Halb-Ruine mit viel zu großem Garten. Die Bewohnerin ohne blassen Schimmer von Gartenpflege oder Anbau und Handwerk. Nebenan wohnt der selbsternannte Dorfnazi. Er wirkt wie der „einzige Schwule des Dorfs“ aus der Little Britain TV Satire: Ihm gefällt die Rolle des Außenseiters. Statt Hure mit goldenem Herz, ist Gote der Nazi mit dem Herz am rechten Fleck. Das ist ein Klischee. Aber mit Ungereimtheiten. Zeh bricht im Roman so einige Brandenburg Klischees auf und füllt sie mit menschlichen Widersprüchen und Liebenswürdigkeiten und zeigt beschädigte Typen, die irgendwie „echt“ sind.

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Ulrike Sterblich: The German Girl

Ulrike Sterblich: The German Girl

Mona ist eine junge Frau aus Berlin, die Ende der 60er Jahre in New York als Model arbeitet – besser arbeiten will. Denn genau wie Carrie Bradshaw aus „Sex in the City“ scheint sie nie wirklich zu arbeiten, sondern geht auf Partys, lernt Männer kennen, trifft schräge Typen und Typinnen und ist dabei auf der Suche nach sich und er wahren Liebe.
Als Unterstützung bei der Suche und dem stressigen NY Leben holt sie sich Spritzen bei „Dr. Max“ – einem der berühmten Feelgood Doktoren, die ihren „Patienten“ Speed spritzen und das ganze Vitamine nannten. Am Ende wird Mona heiraten und der Dr. wird vor Gericht gestellt. Ende.

Außer Monas Sinn- & Partysuche nebst kurzer Reise in die Frontstadt Berlin, wo gerade Dutschke angeschossen wurde, gibt es auf zwei, drei Kapitel verteilt die Recherche eines Forensikers, der den Tod eines Speed-Junkie aufklären will und dabei den Feelgood Doktor Max ins Visier nimmt, den auch Mona besucht. Und am Ende wird auch auch seltsam unvermittelt noch die Recherche eines Journalisten in die Geschichte gepresst, der die Speed-Doktoren-Ära aufarbeitet – während die Hauptfigur einfach aus der Geschichte fliegt, bzw. in ihr versinkt.

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