Marion Poschmann: Die Kieferninseln

Marion Poschmann: Die Kieferninseln

Suhrkamp, 165 Seiten

Und wieder Japan. Diesmal in Form einer allegorischen Reise mit imaginiertem Gefährten. Der Unidozent Gilbert (Forschungsschwerpunkt Bärte) stürzt aus eine Ehekrise direkt in eine berufliche Sinnkrise und von da nach Japan. Zunächst ist er dort der typisch staunende (aber nur mit dem Kopf, der Mann fühlt nicht viel) Westler, begibt er sich von Lektüre japanischer Dichter inspiriert bald auf eine legendäre Pilgerreise: Er will auf den Spuren des berühmten Dichters Basho zu den von ihm in Haikus verewigten Orten fahren. Sie bestehen, auch wieder typisch Japanisch, vor allem aus Bäumen und Steinen.

An einem Bahnhof verhindert er sehr unspektakulär den Suizid eines jungen Mannes. Der unterwirft sich fortan dem Willen des gescheiterten Unidozenten und reist mit ihm. Als eine Art japanisches Alter Ego in jung. Sexuell und beruflich gescheitert, eine Schande für die Eltern und die Welt, mit einem angeklebten Bart, will er an einem für Suizidfreaks heiligen Ort aus dem Leben scheiden: An berühmten Klippen oder in einem berühmten Selbstmord-Wald (ein YouTube Star erntete gerade einen Shitstorm, weil er in dem Wald eine Leiche entdeckte und sie filmte). Gilbert will dem jungen Mann jedoch zu einem ehrenvollen Ende verhelfen und ihn zugleich davon abbringen, bzw. wenn er ihn schon nicht davon abbringen kann, dann soll es wenigstens in angemessener Form geschehen.

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Frenk Meeuwsen: ZEN OHNE MEISTER

Frenk Meeuwsen: ZEN OHNE MEISTER

Zen und die Kunst, einen Comic zu zeichnen

avant Verlag, 286 Seiten

Der niederländische Maler zeichnete mit ZEN OHNE MEISTER seinen ersten Comic. Über seine persönlichen Lebensthemen: Zen. Japan. Kampfkunst.

Und er erzählt nebenbei in vielen kurzen, nur thematische verknüpften Kapiteln, warum wir Westler von der Zen Mischung aus Philosophie und Glauben, aus Handlungsanweisung und Gefühl oder Sehnsucht so fasziniert sind – und dem Zen-Weg doch immer nur nah kommen können. Weil Zen in Asien über viele Jahrhunderte tief ins kulturelle Leben eingedrungen ist, dort Architektur, Essen, Kleidung, Glauben und Handeln und Denken beeinflusst hat. Wir können ihn also (wie ander kulturelle Importe) nur auf unsere Weise erfassen, adaptieren und für uns passend machen.

Von so einer Adaption, einer intensiven Forschungsreise und dem Versuch, Zen ins eigene Leben zu integrieren erzählt Frenk Meeuwsens Comic. In Schwarz-Weiß Bildern, die träumerisch das Hier und Jetzt mit Gedanken an Gestern, Zen oder seine Kunst vermischen.

Er erzählt vom Export des Zen in den 50er Jahren in den Westen, teilt seine Gedanken über Besitz und Verlust, beschreibt seine Reisen in Japan, erzählt von seiner Kindheit und Jugend in den Niederlanden und seiner anderauernden Suche nach dem Zen-Weg. Er beschreibt, was Kunst, Tod, Malerei oder Kampf mit Zen zu tun haben – oder zu tun haben können, wenn man den Weg wählt.

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Igort: Berichte aus Japan (Eine Reise ins Reich der Zeichen)

Igort: Berichte aus Japan (Eine Reise ins Reich der Zeichen)

Reprodukt, 2016, 182 Seiten

Und nochmals Japan und Biografie. Und Bilder, die Japan von sich und wir von ihm haben. Viele Bilder. Grandiose Bilder. Falsche Bilder. Der bekannte italienische Comic und Mangazeichner Igort erzählt mit diesem Buch, wie er zu einem der ersten europäischen Comic Autoren in Japan wurde. Und er erzählt sehr viel über dieses Land und seine Geschichte voller Geschichten und Zeichen und Eigenheiten und Traditionen in Kultur und Kunst und Design.

Igort fasst Fuß als Zeichner, ist sehr allein zunächst, aber zugleich willkommen. Er begegnet den großen der Branche, Miyazaki vom Studio Ghibli (Chihiros Reise, Mein Nachbar Totoro, Das Wandelnde Schloss, etc.) und dem in diesem Jahr verstorbenen Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde, Gipfel der Götter, Der Spazierende Mann +30 weitere).

Er steigt ein in die Knechtschaft der Mangazeichner, die in Serie, Tag für Tag, Woche für Woche ihre Zeichnungen raushauen. Auch das very Japan-Style, die Disziplin, die Ordnung, die Regelmässigkeit des Tuns, notfalls ein ganzes Leben lang, um es zu etwas zu bringen. Nicht unbedingt zu Geld und Ruhm, aber zu Meisterschaft.

Und mittendrin erzählt er auch vom ästhetischen „Paradox“ Japans, vom Wabi Sabi, der Verehrung der Perfektion UND der Unvollkommenheit bei gleichzeitig erkennbarer Patina, Vergänglichkeit eines Dings – ob Keramik oder eine Zeichnung. Es geht um eine Wahrnehmung von Schönheit, die in Japan in Handwerk und Kunst Tradition haben: Perfektion anstreben, nie aufhören zu üben und mit der Unvollkommenheit und Vergänglichkeit der Mühen leben – sie auch im Werk zeigen. Was eine Kunst.

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Osamu Dazai: Alte Freunde

Osamu Dazai: Alte Freunde

cass Verlag 2017, 52 Seiten

Meistgelesener Autor in Japan. Und eine fast typische Künstlerbiografie, Entfremdung mit der Moderne, ein Intellektueller in Japan, einem schuldbeladene, zerrissenen, zerstörten Land, das sich auf seine Traditionen nicht mehr verlassen kann – aber eigentlich nur noch sie hat.

Dazai unternahm diverse Selbstmordversuche (Doppelselbstmordversuche mit Frauen sogar) und einen endgültigen Selbstmord. Das erfüllt dann für uns Westler gleich mehrere Klischees – Stichwort Harakiri. Und für uns Deutsche gibt es noch eine Prise teutonisch romantischer Anwandlung a al Werther oder real Heinrich von Kleist dazu. Da ist es unser Wunschbilder vom mal zarten Schriftsteller und mal saufenden, hurenden Künstler, der durch seine Biografie allein schon irgendwie Kunst ist und am Ende an der Welt verzweifelnd selbst aus ihr scheidet.

Der Klassiker von Dazai ist das Buch „Gezeichnet“ eine „fiktional biografisches“ Buch, das Dazais Künstlerwerdung zwischen Ablehnung, Größenwahn, Suff und Sex, Absturz und gesellschaftlicher Ächung und Achtung erzählt.

In dieser schmalen Erzählung bekommt ein in Tokio ausgebombter Mann, zurückgekehrt in seine Heimatstadt, eines Abends Besuch von einem ehemaligen Schulkameraden, an den der sich aber gar nicht erinnern kann. Er führ sich von der ersten Minute an (auch für europäische Verhältnisse) anmaßend, frech, laut, belästigend, polternd und peinlich auf. Doch der Ich-Erzähler lässt ihn machen und sagen, was er will und sinniert derweil über die Kraft der Duldung und wie daraus in Japan Helden werden.

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Haruki Murakami: Von Beruf Schriftsteller

Haruki Murakami: Von Beruf Schriftsteller

Dumont, 240 Seiten

Dieses Buch ist die Selbstauskunft eines Autors, der ansonsten kaum öffentlich auftritt und sich selbst einem rigiden System aus Schreiben und Laufen unterworfen hat. Schon Murakamis Buch „Wovon ich spreche, wenn ich vom Laufen spreche“ (Titel eine Anlehnung an ein Buch des von Murakami hochverehrten Raymond Carver), erzählte er vom Aufstehen um 5 Uhr morgens, dann Schreiben, dann Sport und der Rest des Tages mit dies und jenem verbringen und früh ins Bett. Anders will er nicht leben, anders kann er nicht schreiben. Aber warum schreibt er, was findet er schreibenswert, wie findet er seine Ideen, was hält er von anderen Autoren und wer sollte überhaupt Schriftsteller werden? Davon erfährt man ein wenig, aber nicht so viel, wie mancher vielleicht erwarten mag. Es ist ein Buch für Schreibende und Hardcore Fans. Mehr lesen

Christian Kracht: Die Toten

Christian Kracht: Die Toten

Kiepenheuer & Witsch, 212 Seiten

Das schleimige Rangewanze in einem Interview, das Denis Scheck, den ich sonst in Sachen Leserei sehr gut finde, hätte mich fast vom Kauf abgehalten. Und dann steht noch auf dem Buchrücken dieser Hohlsatz von ihm, dass das Buch vom Preis handle, „um den das Neue in die Welt kommt“. Ach je. Trotzdem gekauft. Und dann über die ersten Seiten gestaunt, die Ausgestelltheit und Gespreiztheit der Sprache – bis Kracht es im weiteren selbst erklärt. Irgendwann ist man drin in dieser Geschichte vom schweizer Regisseur Naegli, einem japanischen, tja, Verräter und Sprachgenie und einer blonden Deutschen – dazu Chaplin, Rühmann und ein paar Figuren der deutschen Geschichte. Deutschland, Europa und Asien kurz vor dem Fall in den Krieg und die Filmwelt kurz vor Ton- und Farbfilm Revolution. Und der Tod und die Liebe dürfen auch nicht fehlen, obwohl es vordergründig um ein Horrorfilmprojekt in Japan geht. Aber auch um die Kunst überhaupt. Und das Leben. Und Sterben. Und das Kurzdavor.

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