Stephen King: Salems Lot & Friedhof der Kuscheltiere

Auch nach sicher 35 Jahren erinnere ich mich genau, wie ich damals nach der Lektüre von Kings Salems Lot (Brennen muss Salem) in meinem Bett im Souterrain lag, in der Frotteebettwäsche mit den seltsamen Mustern, die Fantaflasche neben meinem IKEA Bett und das Buch zur Seite legte. Einzuschlafen gelang mir erst, als ich das Knacken gefolgt von Stille, das Wummern einer Windbö dann wieder Stille nicht mehr deutete, mir ein Lied vorsummte und an eine Fernsehserie wie Ein Colt für alle Fälle dachte. Vielleicht war das letzte Mal, das ich vor Angst das Licht anließ zum Einschlafen.

Beim Wiederlesen dreieinhalb Jahrzehnte später, auf Englisch, weil die deutsche Übersetzung von Salems Lot, die ich noch im Schrank hatte, unerträglich war, ist es das gleiche packende, breit und charakterlich tief und so gar nicht Horror-Effekt haschende, sondern schlichtweg unheimliche, thrilling Buch.
Mit dem fast gleichen Effekt wie damals: dass ich nämlich beim Gang in unseren dunklen Flur ein, zwei Sekunden lang ein diffuses Achtung! spüre.

Was King immer konnte, bis heute kann, ist eben straightes, richtig gutes Erzählen. Er schafft lebendige Figuren in zwei, drei Sätzen, erzeugt Atmosphäre in knappen Beschreibungen von Räumen und Landschaft, ist in Dialogen witzig, hintergründig und tragisch.

Und das alles kann er in einem Vampirroman oder auch einer Art Zoobi-Buch wie Pet Sematary (Friedhof der Kuscheltiere). King war nie Schund, Trivialliteratur oder Groschenroman – nur aus der hohen Warte von Langweilern betrachtet vielleicht. Von Leuten, die lieber quälend gedrechselte Wortkaskaden lesen und maximal handlungsarmes Sinnieren über langweilige Leben, gern der weißen Mittelklasse, Literatur nennen. Das hier sind gute Geschichten gut erzählt.t erzählt.

Man kann den Horror der Bücher, die Erlebnisse der King-Figuren gern als Metapher lesen: für die Gewalt in jedem von uns, als gesellschaftliche Kälte, für den Zerfall von Gemeinschaften und Ehen, für das Gute im Bösen und das Böse im Guten, einfach für diese irritierende, widersprüchliche, unerbittliche Welt da draußen, in der Menschen Dinge tun, die man sich nicht vorstellen kann.
Man kann die Bücher aber auch als das lesen was sie sind: Großartig konstruierte Page-Turner mit mehrdimensionalen Hauptcharakteren und liebenswerten Nebenfiguren, mit überraschenden Wendungen und Tempo, Witz, Horror, Gewalt und zugleich Lebensfreude. Die besten Bücher sind einfach Lehrstücke über uns Menschen: in unserer Dummheit, Überheblichkeit, dem Suchen nach Sinn, nach Lust, Macht und der Begegnung mit Trauer und Verlust. Wir in der ganzen Bandbreite aus Verlogenheit und Bösartigkeit, Mut und Schönheit. Ohne, dass es auch nur eine Seite langweilig wird.

Klar, bei 63 Romanen darf auch mal ein schwacher dabei sein, vielleicht sind sogar 50 seiner Bücher eher schwächer oder sogar ganz schwach (ich hab etwa 20 Jahre King Schaffens nicht gelesen). Salem Lot jedenfalls, Kings zweites Buch überhaupt und genau so Friedhof der Kuscheltiere sind Meilensteine. Sie haben drei Jahrzehnte später nichts von ihrer Kraft und ihrem Zauber verloren. Als nächstes wage ich mich an ES.