Christian Kracht: Die Toten

Christian Kracht: Die Toten

Kiepenheuer & Witsch, 212 Seiten

Das schleimige Rangewanze in einem Interview, das Denis Scheck, den ich sonst in Sachen Leserei sehr gut finde, hätte mich fast vom Kauf abgehalten. Und dann steht noch auf dem Buchrücken dieser Hohlsatz von ihm, dass das Buch vom Preis handle, „um den das Neue in die Welt kommt“. Ach je. Trotzdem gekauft. Und dann über die ersten Seiten gestaunt, die Ausgestelltheit und Gespreiztheit der Sprache – bis Kracht es im weiteren selbst erklärt. Irgendwann ist man drin in dieser Geschichte vom schweizer Regisseur Naegli, einem japanischen, tja, Verräter und Sprachgenie und einer blonden Deutschen – dazu Chaplin, Rühmann und ein paar Figuren der deutschen Geschichte. Deutschland, Europa und Asien kurz vor dem Fall in den Krieg und die Filmwelt kurz vor Ton- und Farbfilm Revolution. Und der Tod und die Liebe dürfen auch nicht fehlen, obwohl es vordergründig um ein Horrorfilmprojekt in Japan geht. Aber auch um die Kunst überhaupt. Und das Leben. Und Sterben. Und das Kurzdavor.

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Paul Harding: Verlust

Verlust von Paul Harding
Verlust von Paul Harding

Luchterhand 272 Seiten

Manches kann man sich nicht vorstellen. Manches mag man sich nicht vorstellen. Man soll hier bedeuten: Ich als Vater. Oder Väter. Eltern. Zum Beispiel den Tod des eigenen Kindes. Da kommt eine natürliche Ordnung durcheinander wie im Krieg, wenn die Jungen vor den Alten sterben, wenn Eltern ihre Kinder beerdigen müssen und die Zukunft plötzlich keine mehr ist. So geht es Charlie aus einer Kleinstadt in den USA, der seine Tochter bei einem Unfall verliert, nur ein paar Tage später auch seine Frau, die ihn verlässt und dann die Kontrolle über sein ganzes Leben, weil der Schmerz so tief, die Trauer so groß, die Gründe weiterzuleben so verschwindend sind.

Charlie schildert seinen Sinkflug in Drogen, Alkohol, Verwahrlosung seltsam hellsichtig, unterbrochen von Erinnerungen an seine Tochter, an die Alltäglichkeiten einer Liebe, eines Lebens, die erst dann Bedeutung bekommen, wenn es kein „Mehr“ gibt, wenn keine weiteren Erinnerungen und Erlebnisse und Gemeinsamkeiten mehr gesammelte werden können, weil die Tochter tot ist, von einem Auto überfahren auf dem Heimweg vom Schwimmen. Dann erst bekommt das Vergangene Bedeutung, laden sich Momente symbolisch auf, dann erst erkennt man in jeder Erinnerung an das eigene Kind, an das Leben, das man so einfach führte, schon den drohenden Tod. Wir leben nur so lang in der Gegenwart, wie wir eine Zukunft haben. Die hat Charlie verloren.

In einer sehr schönen, schweren, manchmal poetischen Sprache begleiten wir ihn durch seine Trauer, seine Gedanken, seinen Schmerz – nur ein Mann und der Verlust. Mehr passiert nicht. Aber durch die Sprache und die Bedeutsamkeit, die nun alles hat, ist VERLUST kein spannendes Buch im thrillersinnn, aber ein Buch, das einen packt. Tief drin. Einzig die zwei, drei Passagen, in denen Träume oder Wahnvorstellungen vom Erzähler Besitz nehmen, in denen er nicht nur seinen Körper endgültig zerstört zu haben scheint, sondern auch seinen Verstand, diese Szenen waren etwas too much. Ansonsten aber eine Geschichte, die einen nah heranführt an dieses Schwarze Loch, zu dem das eigene Leben wird, wenn man sein Kind verliert.

Wiliam Finnegan: Barbarian Days – A Surfing Life

Wiliam Finnegan: Barbarian Days – A Surfing Life

Corsair, 499 Seiten

Finnegan kenne ich als Autor des New Yorker. Dort berichtet er vor allem überinnenpolitische und gesellschaftliche Themen aus den USA und macht spannende lange Texte zu Krisenregionen. Dass 1992 vielleicht den besten Text übers Surfen geschrieben hat und dabei einen Freund portraitierte, von dem sogar ich, einige 1000 Kilometer weiter und bisher einmal in meinem Leben auf dem Brett gestanden, gehört hatte, wurde mir erst mit der Lektüre dieser Pulitzer geehrten Biografie klar: „Playing Doc’s Games.“ hieß der Artikel damals. Er dreht sich um Dr. Mark Renneker, einen Surfmaniac und Arzt in San Francisco. Und der kommt auch im letzten Teil dieses grandiosen Buchs über einen „Weg“ (nicht einen „Sport“) vor: Wellenreiten, Surfen, Big Waves.

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