In Deutschland ist Rennradfahren ja ein Nischensport wie Feldhockey. Selbst Sportfans kennen meist nur „Ulle“ Jan Ulrich und die Tour de France. In Italien ist der Giro, der Radsport, ein nationales Kulturgut wie die Pizza. Genauso in Belgien und Frankreich und den Niederlanden, von wo die tolle Autorin Lidewey van Noord kommt.
Das Buch ist was für Hardcore Fans: von Radsport und Giro D’Italia. Atmosphärische, knappe und bewegende Geschichten, begleitet von menschenleeren Fotos. Alle Kapitel drehen sich um heilige Rennradfahrer, Schutzheilige der Rennradfahrer, anbetungswürdige Berge und Leistungen – und auch die Scheinheiligkeit des Doping.
Van Noord beschreibt in 27 kurzen Geschichten ihre Reise als Pilgerin (Pellegrina) an besondere, viele unbekannte Orte in Italien, die mit dem Giro und der Geschichte des Radsports verbunden sind. Manchmal ist an ihren Pilgerorten etwas Schönes passiert, manchmal etwas ganz Schreckliches. Manchmal ist dort ein berühmter Radfahrer geboren, manchmal wurde auf einer kleinen Straße Sport-Geschichte geschrieben. Manchmal ist der Ort nur eine Kurve, manchmal eine Kapelle mit grotesken Büsten und originalen Rennrädern und manchmal ein Pflasterstein in Rom neben dem Colosseum. An ihnen macht die Autorin Blut, Schweiß und Tränen und damit die Geschichte dieses großartigen Sports fest, bei dem der Satz „Quäl dich, du Sau!“ mal jemanden zum Sieg führte.
In ihrer knappen, aufmerksamen und berührenden Art erzählt Van Noord von Helden und Anti-Helden und ganz viel über das üppige, laute, stilsüchtige, heldenverehrende, widersprüchliche Italien, über Kleinstädte und große Worte – immer erkennbar aus der Sicht einer nüchternen Nordeuropäerin, in deren Land alles leise und geordnet abläuft, also sehr un-italienisch.
Dabei spürt man in jedem Text, wie sehr sie selbst Hardcore Radsport-Fan ist. So, wenn sie an einem Ort aufgeregt zittert oder ihr an einem anderen die Tränen kommen. Emotionen vergangener Heldentaten, die sich vielleicht in Gänze nur passionierten Radfahrern erschließen, vermittelt sie über ihre nüchterne, schöne Sprache so treffend und berührend, dass ich jedenfalls schon bei Google geguckt habe, wie ich beim nächsten Italienurlaub nach Magreglio komme – oder welche Etappe (besser: welchen Teil einer Giro Etappe) ich nochmal fahren möchte in meinem Leben.