S. Fischer Wissenschaft, 128 Seiten
Wie sagte mein Schwager richtig: „Der Mann schreibt Sätze, die unser Zeitungshalbwissen, die irgendwie nur halb formulierfähigen Beschreibungen unserer Gegenwart auf den Punkt bringen.“
Und richtig, so liest sich dieses schmale Bändchen mit einem Titel, der komplizierter klingt, als die Beschreibungen, Analysen und Deutungen im Buch. Vielleicht ist Han deswegen so beliebt – und umstritten: weil man auch ohne Soziologie oder Kulturwissenschaftliches Studium, versteht, was er meint. Und weil es eine gewisse Offenheit und Vorläufigkeit seiner Gedanken in Kauf nimmt, statt auf 1000 Seiten mit 1000 Fußnoten vermeintlich abschließende Erkenntnisse zu präsentieren. Weil er flüssig, pointiert, erhellend schreibt – leider immer noch in Deutschlands Wissenschaftsbetrieb eher ungewöhnlich.
Knapp 120 Seiten braucht er, das geneigte Hirn ans Arbeiten zu bringen, in sehr kurzen, manchmal nur drei Seiten umfassenden Kapiteln, verdichtet er seine eigenen Gedanken und die dazu passenden großer Denker (Marx, Foucault, Agamben, Kant,…) zu griffigen Thesen. Nicht zu allgemein und dann beliebig, nicht zu speziell, um nur sehr begrenzt gültig. Seine Thesen und Deutungen regen zum Weiterdenken, weiterschreiben an, können Debatten anstoßen.
„Mein System kennt keine Grenzen“ (Blumfeld)
Worum geht es? Kurz gesagt: Han betrachtet unsere Gesellschaft und uns als Individuen als vom Neoliberalismus voll und ganz durchdrungen – vermeintlich freie Sklaven. Seine Schlüsselbegriff: Selbstoptimierung. Das ist die eigentliche „Psychopolitik“ die uns fertig macht, die Gesellschaft zersetzt, die Politik und die sozialen Systeme. Sie macht passiv, macht uns zu Selbstausbeutern, Burn-Outies und bloßen Konsumenten.
„Das Ich als Projekt, das sich von äußeren Zwängen und Fremdzwängen befreit zu haben glaubt, unterwirft sich nun inneren Zwängen und Selbstzwängen in Form von Leistungs- und Optimierungszwang.“